Anfänge der Druckgraphik

Anfänge der Druckgraphik

Beschreibung
Werke

Im Münchner Kunsthandel tauchte 1926 der kolorierte Holzschnitt Maria im Ährenkleid des Rapperswiler Meisters Firabet auf, für dessen Erwerbung sich der damalige Leiter der Graphischen Sammlung der ETH, Rudolf Bernoulli, mit grossem Eifer und hohem Einsatz engagierte. Einblattdrucke, bei denen Text und Bild aus einem Holzstock oder einer Metallplatte geschnitten sind, zählen zu den frühesten Zeugnissen europäischer Graphik überhaupt und sind von grösster Seltenheit.

Der Kauf des Druckes kam mit Unterstützung der Gottfried Keller-Stiftung, vor allem aber durch einen kapitalen Dublettentausch zustande. Aus der eigenen Sammlung mussten in einem Konvolut von zwanzig Dubletten unter anderem neun Radierungen von Rembrandt, drei Blätter von Dürer, zwei von Andrea Mantegna und vor allem ein Exemplar des berühmten Kupferstichs Kampf der nackten Männer von Antonio Pollaiuolo hergegeben werden. In der Sammlung befand sich bereits seit 1895 ein Holzschnitt von Firabet: Christus am Kreuz, ein Grund mehr, das genannte Blatt für Zürich zu sichern.

Der Holzschnitt Maria im Ährenkleid zeigt ein Kultbild, das im Mailänder Dom verehrt worden war. Graphik der Frühzeit ist fast durchwegs Andachtsgraphik. Als sich das Kloster Einsiedeln, bereits im Mittelalter ein bedeutender Wallfahrtsort, anschickte, die grosse Engelweihe von 1466 vorzubereiten, bemühte sich der Abt beim Papst persönlich und erfolgreich um die Erneuerung des vollkommenen Ablasses für die Einsiedeln-Pilger. Das Fest der Engelweihe erinnert an die Einweihung der Gnadenkapelle, die nach mittelalterlicher Überlieferung von Christus selber geweiht wurde. Das wichtigste Fest des Klosters erfuhr besonderen Aufwand , wenn der 14. September wie im Jahr 1466 auf einen Sonntag fiel. Beim Meister ES wurden damals Kupferstiche in drei Grössen in Auftrag gegeben, die jeweils die Madonna zeigen. Wohl zum gleichen Anlass erschien auch ein koloriertes Blockbuch mit der Legende des Heiligen Meinrad, auf den das Kloster zurückgeht. Schliesslich ist anlässlich des Festes der Verkauf von 130’000 Pilgerzeichen überliefert.

Wenige Jahre nach dem Kauf des erwähnten Holzschnittes stand ein ganzes Konvolut von solchen Frühdrucken zur Disposition. In der Bibliothek des Klosters St. Gallen hatte sich ein Sammelband von meist kolorierten Holzschnitten aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Als diese im November 1930 in Berlin zur Auktion gelangen sollten, erhob nicht nur Rudolf Bernoulli seine Stimme: Ein Sturm der Entrüstung brach gegen diesen Ausverkauf von einzigartigem Kulturgut los. Zusammen mit dem Kunstmuseum Basel gelang es schliesslich, achtzehn Drucke wieder in die Schweiz zurückzuführen, sieben davon in die Graphische Sammlung der ETH.